Tag-Archiv | Nelly Yavo

Tragischer Tod eines Fotomodels und dessen Folge

 

Awa Fadiga

Awa Fadiga

 

27.04.2014

Awa Fadiga ist tot! Am 25. März machte diese Nachricht unter den Ivorern in der Elfenbeinküste und im Ausland die Runde. Fast alle sprachen davon, und Leute, die sie nicht kannten entdeckten sie dadurch.

Die Wirkung des Todes von Awa Fadigas, ein 23. jähriges Fotomodell, hat die ivorische Regierung so überrascht, dass sie bisher mit den Folgen kämpf. Jeden zweiten Tag kommt eine neue Entscheidung. In diesem Chaos sind manche Entscheidungen den vorherigen entgegengesetzt. Aber bei dieser Regierung, ist das nicht neues.
Awa Fadiga wurde von einem Taxifahrer überfallen und vom fahrenden Auto auf die Fahrbahn geworfen. Sie prallte gegen die harte Straße und wurde dadurch schwer am Kopf verletzt. Da es nicht weit weg von Abidjans größter Gendarmeriekaserne war, wurden diese von Zeugen benachrichtigt. Die Gendarmen wiederum verständigen die Feuerwehr, die Awa fadiga in CHU¹ von Cocody —  eine Universitätsklinik, die eins der größten Krankenhäuser des Landes ist– hinbrachte. Gegen 23 Uhr angekommen wurde sie nicht  beachtet und lag stundenlang blutend auf dem Boden, bevor eine Aushilfe Mitleid mit ihr hatte. Sie wusch die Verletze mit Wasser und Seife und kleidete sie mit einer ihrer eigenen Leggings aber keinem Oberteil.
Währenddessen suchte Awas Familie nach ihr, da sie seit zwei Tagen nicht von ihr gehört hatte. Bis die Familie sie über die Gendarmerie gefunden und den Weg zu ihr in CHU gefunden hatte war es schon 13 Uhr. Zu dieser Zeit, hatte außer der Aushilfe — die aus eigenem Antrieb agiert hatte— sich niemand um Awa Fadiga gekümmert. Sie lag immer noch blutend, ohne medizinische Versorgung und offenbar in Schmerzen auf dem Boden. Keiner hatte sich um sie gekümmert, sei es Pfleger oder Arzt.
Erst als die Familie angetroffen war, wurde sie vom Boden gehoben und in ein Zimmer gebracht. Dann wurde das erste Rezept gerade einmal ca. 20 Euro ausgestellt. Es wurde auch entschieden, dass sie angesichts ihrer Verletzungen  zur Computertomographie gebracht werden sollte. Leider war der Computertomograph des CHU defekt. Die Verletze musste zu einer Privatklinik gefahren werden. Um das zu bewerkstelligen, musste die Familie extra zahlen: Zuerst für den Krankenwagen, der sie transportieren sollte, weil er wahrscheinlich, wie es oft der Fall ist, kein Benzin hatte  und anschließend für die Kosten der Computertomographie in der Privatklinik. Nach der Rückkehr im Krankenhaus wurde ihr zwar ein Bett auf der Intensivstation zugeteilt, mehr wurde dennoch nicht für sie getan bis sie in den frühen Morgenstunden starb.
Nach ihrem Tod stellte Nelly Yavo, der Leiter der Agentur der sie angehörte ein Video auf Facebook, in dem er die Umstände ihres Todes schilderte und das medizinische Personal an den Pranger stellte. Laut Nelly Yavo hätte es sich geweigert Awa Fadiga zu behandeln, da sie kein Geld bei sich hatte, um die Notfallpflege zu bezahlen. Dieses Video, das schnell über Facebook geteilt wurde, rief ein Sturm der Entrüstung hervor. Die Nachricht wurde überall übernommen, auch in den ausländischen Zeitungen. Aus diesem Grund sah sich die Regierung zur Handlung gezwungen. Am 26.03.2014 meldete sich die Gesundheitsministerin Raymonde Goudou Coffie zu Wort. Sie erklärte in ihrem Kommuniqué, dass Awa Fadiga nach ihrer Ankunft bei der Notaufnhame versogt worden war. Man hätte sie an den Tropf gehängt, und sie von einer Aushilfe mit Seifenwasser und Antiseptikum säubern lassen „um ihr ihre Würde zurückzugeben“ [SIC]. Allerdings goss diese Erklärung der Mininistern Öl ins Feuer anstatt die Gemüter zu beruhigen. Andere Videos, teilweise von Fadigas Familienmitgliedern, wurden im Netz gestellt, um dieser Erklärung zu widersprechen. T-Shirts mit dem Bild von Awa Fadiga und der Beschriftung „Von einem Taxifahrer überfallen, der CHU hat sie ermordet“ wurden in Umlauf gebracht. Gleichzeitig wurde eine Petition „damit die Krankenhäuser keine Sterbeanstalt mehr sind“ und eine Facebook Seite mit dem Namen „ Stop nie mehr das“ gestartet. Innerhalb weniger Stunden waren mehreren tausenden „Like“ und Unterschriften gesammelt.
Angesichts dieser Mobilisierung versuchte die Regierung die Lage unter Kontrolle zu bekommen. Es wurde seitens der Staatsanwaltschaft entschieden die Beerdigung aufzuschieben, um eine Autopsie zu ermöglichen, und zugleich eine Untersuchung einzuleiten. Weibliche Mitglieder der Regierung und der Familie vom Präsidenten wurden nach der Autopsie—wahrscheinlich mit Geld– zu der Trauerfeier geschickt. In den folgenden Tagen wurde ein Phantombild des Taxifahrers veröffentlicht. Da die Anspannung immer noch im Netz zu spüren war bemühte sich die Regierung die Wogen zu glätten und veröffentlichte den Autopsie-Bericht. Am 9. April dann eine weitere Maßnahme: der Leiter der Notaufnahme Prof. Yavo Tetchi, der Geschäftsführer des CHU Prof. Jean Claude kouassi und die Aufsichtsbeamtin — die am Tag des Geschehens im Dienst war– Yolande Abo wurden entlassen. In ihrer ersten Kommuniqué hatte die Ministerin Goudou zwar die Ärzte in Schutz genommen und erklärt sie hätten alles richtig gemacht, aber angesichts des Grolls in der Bevölkerung wurden sie entlassen in der Hoffnung die Lage zu beruhigen. Allerdings brachte diese Entlassungen wiederum die Ärzte des Krankenhauses auf die Palme. Sie fingen einen Streik an um dagegen zu protestieren. Gleichzeitig erhoben sich in der Bevölkerung Stimmen, die den Rücktritt der Gesundheitsministerin forderten, weil sie das medizinische Personal am Anfang reingewaschen hatte. Die Regierung aber entschied sich für andere Maßnahmen. Die Schließung der Intensivstation des CHU für drei Monate (ab dem 1. Mai) für Renovierungen wurde entschieden. Am 16. April wurde der vermeintliche Taxifahrer festgenommen.
Mittlerweile hat sich die Lage beruhigt, aber der Tod von Awa Fadiga hat den Fokus auf zwei Sachen gelegt, die die ivorische Gesellschaft schon Lange zermürben: Die Kriminalitätsrate, die so hoch ist, dass man nicht mal in Taxen sicher ist. Hin und wieder überfallen Taxifahrer, allein oder mit Komplizen, ihre Fahrgäste. Die zweite Sache ist das Versagen des medizinischen Systems, das quasi zusammengebrochen ist. Ohne Geld wird keiner mehr im Krankenhaus behandelt. Wer wie Awa Fadiga ohne Familie und Papier ins Krankenhaus landet ist so gut wie zum Tode verurteilt. Keiner wird sich um ihn/sie kümmern so lange die Kasse nicht geklingelt hat. Awa Fadiga war nicht die erste, doch in ihrem Fall hat die ivorische Gesellschaft entsetzt reagiert. Das medizinische Personal hat sich zwar nicht „gemäß den geltenden Normen“ verhalten, dennoch tragen sie nicht die alleinige Schuld. Die Krankenhäuser wurden von den FRCI nach den Kämpfen (2011) geplündert und nie rehabilitiert. Obwohl die Regierung viele Maßnahme angekündigt hat wie die Übernahme der Behandlungskosten – es ist immer bei den Ankündigung geblieben.

Die Lage in den Krankenhäusern – die vorher nicht rosig war – hat sich also mit dem Regierungswechsel, genau wie die Lebensbedingungen der Ivorer, noch verschlechtert.

 

 

 

1- CHU: Centre Hospitalier Universitaire (Universitätsklinik)